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Hurra, du bekommst ein Baby! 

So sagen wir es in unserer Alltagssprache. Stimmt das so? Ich finde: Nein. Schon seitdem du dein Kind mit deinem Liebsten gezeugt hast, deine Eizelle sich von den vielen Samenzellen deines Mannes die schönste und kräftigste ausgesucht hat, um mit ihr Eins zu werden und ein zauberhaftes Baby wachsen zu lassen, seitdem sich nun in atemberaubender Geschwindigkeit Zellen teilen und vermehren, deine Gebärmutter dem kleinen Wesen einen Platz in seinen nährenden Wänden gegeben hat und es dort wächst und wächst und wächst… seitdem HAST DU ein BABY. Du und der Papa seid jetzt ELTERN. Während dein Baby wächst, wachst auch ihr in Eure neue Aufgabe hinein. Seelisch entwickelst du dich von der Tochter der Mutter zur Mutter deines Kindes. Und der Papa zum Vater seines Kindes. Ich finde es wundervoll, dass ihr das 2016 sehr bewusst erleben könnt, wenn ihr euch auf dieses Abenteuer einlasst. 

Während dein Körper jetzt das Wunder des Lebens vollbringt und seinen kleinen Körper wachsen lässt, fühlt dein Baby, denkt es von Anfang mit, reagiert auf euch. Seine Gene reagieren auf die Umwelt draußen. Das wissen wir aus den Forschungen der pränatalen Psychologie und Epigenetik. Der Film „in utero“ zeigt dies auf spannende Weise. Er ist im Frühjahr 2016 in Kinos zu sehen. 

Die in Deutschland gerade bekannter werdende Methode dazu heißt Bindungsanalyse. Ich nenne es Babybauchflüstern. 2012, bevor die Ausbildung zur Hypnobirthing-Kursleiterin für mich begann, hörte ich in einer Radiosendung darüber, dass Babys und Mütter vor der Geburt miteinander Botschaften austauschen, Babys schon vollständig entwickelte soziale Fähigkeiten haben. Bis dahin hatte auch ich geglaubt: Die Erinnerung beginnt mit der Zeit, in der wir zu sprechen beginnen. 

Unsere Erfahrungen zeigen, dass ungeborene Babys die Worte ihrer Eltern verstehen, zutreffend deuten und darauf regieren. Schwangerschaftsbeschwerden, Komplikationen in der Geburt, alle Schwierigkeiten nach der Geburt sind eng verbunden mit der Klarheit und Tiefe der vorgeburtlichen Mama-Baby-Beziehung. Der Papa spielt dabei auch eine wichtige Rolle, deshalb laden wir ihn immer ein, auch mit seinem Baby in seinen eigenen inneren Kontakt zu gehen. 

Fragst du dich manchmal, wieso Babybäuche groß und rund und andere vergleichsweise klein sind? 

„Ich hab nur noch sechs Wochen“ beantwortete die Mama im Lokal meine Einladung, mich auf meiner Webseite einmal zu besuchen. Das überraschte mich, einen so kleinen Bauch in der 34. Woche hatte ich bisher nicht gesehen. „Da haben Sie aber einen dezenten Bauch“ antwortete ich anerkennend und wünschte dem Paar und ihrer großen Tochter noch einen schönen Abend. Am nächsten Tag rief Sie mich an: „Ich hab mich gestern gefragt, was Sie von mir wollen. Bin dann aber doch auf Ihre Website gegangen. Sie machen ja genau das, was ich brauche!! Ich wusste gar nicht, dass es das gibt, ich kann nämlich überhaupt nicht entspannen. Das und der Chefarzt haben mir meine erste Geburt ruiniert. Meine große Tochter war ein Schreibaby und ich bin dabei fast wahnsinnig geworden. Sie ist heute noch anstrengend.“ 

„Ich mag meinen Bauch überhaupt nicht. Von mir aus könnte die Geburt schon vorbei sein. Meine erste Geburt war ein Horror, über die Geburt jetzt will ich gar nicht nachdenken. Ich brauche das alles nicht. Von mir aus könnte man mir mein Kind übergeben, wenn es drei Jahre alt ist.“ Dies sagte die Mama vor der ersten Stunde. Das Baby hat sich also erfolgreich „dünn gemacht“. Das Baby hat die Ablehnung seiner Mama gespürt. Dabei hat die Mama ja nicht ihr kleines Mädchen abgelehnt, sondern ihre Weiblichkeit als fruchtbare gebärende Frau. Das war für sie negativ belegt und war die Fortsetzung ihrer eigenen Erfahrung, als sie in Mamas Bauch war. 

Wir arbeiteten daran, dass sie mehr mit ihrem Körper in Kontakt ging, sie lernte mit individuellen Anleitungen recht schnell, sich zu entspannen. Für den Kontakt zum Baby brauchten wir etwas. Sie konnte es sehen, seine ausgestreckten Hände. Ihr Baby sagte ihr mit inneren Bildern „Ich will zu dir.“ und die Mama sah ihre eigenen ausgestreckten Hände, die nicht bis zum Baby kamen. Sie spürte genau, dass es ein Hindernis in ihr gab, das wir dann aus dem Weg räumen konnten. Dennoch breitete sich das Baby mit jeder Stund mehr in der Gebärmutter aus. Nun war der Bauch so groß und rund, wie ich ihn in der 36. Woche oft sehe. 

Jede Mama und jedes Baby finden ihren eigenen Weg, den wir begleiten und dort anleiten, wo die Mama unsicher ist oder sich aus den Ursprungsfamilien gelernte Bindungsmuster zeigen, mit der sich die Tiefe der Herzens- und Seelennähe, nach der sich jeder Mensch sehnt, schwer erreichen lässt. 

Und wie wirkten sich die Mama-Baby-Stunden für die Geburt aus? Baby und Mama haben in der Geburt super zusammengearbeitet. „Wenn ich bei der ersten Geburt die Atmungen schon gekannt hätte.“ erzählte mir eine stolze Mama nach der Geburt. Im Kinderwagen lag ein tiefenentspanntes vier Wochen altes Baby. Die Mama hatte sich entschieden, dass sie diesmal in ein kleines Krankenhaus geht und dort so spät wie möglich aufschlägt. Mit den Entspannungen, Selbsthypnosen und Atmungen umwanderte sie in der Eröffnungsphase ihren Häuserblock. Sie blieb mit ihrem Körper und dem Baby in Verbindung, sie „las“ ihren Körper präzise und fuhr im richtigen Moment in die Klinik. Der Muttermund war vollständig eröffnet, als sie ankamen. Eine Stunde später lag ihr Baby in ihrem Arm. 

Was ist, wenn aus der Hausgeburt eine ‘Risikogeburt Beckenendlage’ geworden ist? 

„Ich glaube, wir werden uns vor der Geburt nochmal sehen. Ich habe da noch ein Eifersuchtsthema mit meinem Bruder und zu meiner Tochter habe ich keine so tiefe Beziehung, wie ich sie in der Schwangerschaft mit meinem Sohn hatte.“ So verabschiedete sich eine Mama am Ende des Hypnobirthingkurses. Sie war jetzt in der 30. Woche. Bei der Anmeldung zehn Wochen vorher hatte sie mir offenbart, dass sie stärkere Ängste hat, die heute wesentlich besser seien, wegen derer sie vor vielen Jahren eine Psychotherapie gemacht habe. 

„Was weißt du über die Schwangerschaft deiner Mutter mit dir?“. Diese Frage stellen wir Bindungsanalytiker in der Anamnese. „Meine Mutter hatte vier Fehlgeburten vor mir. Als sie mit mir die ersten Anzeichen bekam, hat der Arzt sie zugenäht und sie hat die ganze Zeit liegen müssen.“ „Und daher hast du deine Angst, die dich in Therapie gebracht hatte.“ 

Zur Hypnobirthing-Geburtsvorbereitung gehört eine Hypnose zur Auflösung von Ängsten und einschränkenden Gedanken zur Geburt. Das Paar hat alle Übungen gemacht, sich bestens vorbereitet und für die Mama kam – wie beim ersten Kind – nur eine Hausgeburt oder allenfalls das Geburtshaus in Frage. Alles war gut vorbereitet und es blieb die Vorahnung der Mama, mit der sie sich verabschiedete. 

Fünf Wochen später rief sie mich weinend an. Ihr Baby hatte sich nicht in die Kopf-Geburtsposition gedreht, ihre Hebamme hatte alles abgefragt. Sie hatte die Hypnobirthing-Entspannungen gemacht. „Vielleicht protestiert dein Kind“ vermutete die Hebamme und ich verstehe gut, dass meine Klientin danach Schuldgefühle hatte. Das Baby hat die Gefühle der Mama damit beantwortet, dass es jetzt erst einmal mit dem Po im Becken blieb. 

Wir begannen miteinander zu arbeiten: Von Babys, die in Beckenendlage bleiben, wissen wir, dass sie näher am Herzen der Mama bleiben wollen. Das starke Schuldgefühl wandelte sich in liebevolle Zuversicht durch die Anleitung, ihr Baby zu bitten, ein Stück näher ans Herz der Mama zu krabbeln. Das Baby machte das sofort. Es gibt eine spezielle Hypnobirthing-Hypnose, damit drehen sich weit mehr Babys als mit den bekannten Methoden. Diese Drehung ist für die Mama und das Baby sanfter. Die Kleine blieb jedoch, wie sie lag. 

Nun bekam die Mama eine Liste mit konkreten Fragen an die Oma. Ich wollte die systemischen Verstrickungen und das innere Bild der Klientin anschauen. Nun erfuhr sie, dass es noch eine Schwangerschaftt gegeben hatte, die Oma insgesamt sieben Mal schwanger gewesen ist. Gespräche der werdenden Mama mit der Oma über die familiäre Geburtsbiographie initiieren erstaunliche Heilungs- und Reifungsprozesse. Dies gehört leider nicht zur üblichen Schwangerschaftsvorsorge und Begleitung von Hebammen und Ärzten. Deshalb fehlt diese innere Entwicklung häufig und wird Jahre später nachgeholt: Anlass dafür sind zum Beispiel Schreibabys, auffällige Kinder in der Kita oder Schule, Lernprobleme von Kindern, Paarkrisen. 

Wie lösten Mama und Baby ihren gemeinsamen Weg? Die Mama wuchs über sich hinaus, vertraute sich mehr Menschen als vorher an. Sie beriet sich mit ihrer Ärztin, welches Krankenhaus ihr die benötigte Sicherheit gibt. So erfuhr sie, dass sie nicht in das Krankenhaus musste, das ihr Bauchschmerzen bereitete, sondern es im Rhein-Sieg-Kreis eine Klinik gibt, in der das gesamte Geburtsteam aus Frauen besteht. Damit fühlte sie sich sicherer. In der systemischen Einzelstunde sah sie, dass ihr Bruder gar nicht so eine herausgehobene Sonderstellung hat, er ziemlich arm dran war in der Familiendynamik. Und alle Kinder ihrer Eltern bekamen den richtigen Platz: Sie war das fünfte Kind ihrer Eltern, nicht die Erstgeborene. Die fehlgeborenen und das abgetriebene Baby der Oma konnte sie nun betrauern. Zwei Tage, in denen ihr Mann sie tröstete und ihr Halt gab. 

Die Entwickler der Bindungsanalyse, die Psychoanalytiker Jenö Raffai und Georgy Hiddas haben in ihren 20-jährigen Forschungen und Begleitungen von Schwangeren beobachtet, dass die Gebärmutter ein Erinnerungsorgan ist. In jeder Gebärmutter sind alle Erfahrungen gespeichert: die der Omas aus beiden Familien, der Urgroßmütter. Die werdende Mama hatte als Fötus wahrgenommen, dass der Ausgang der Gebärmutter „tödlich“ sein kann. Nun reagierte die Enkelin, und hatte Angst mit dem Kopf zuerst durch das dunkle Tor „des Todes“ zu gehen. Sie fühlte sich sicherer am Herzen der Mama. 

Leider wird euch mit dem „Risikofaktor BEL“ suggeriert, dass eure Schwangerschaft und Geburt ein Mangel hat, euer Baby oder ihr etwas falsch macht. Mich ärgert das. Seit Urzeiten kamen Babys auf zwei „normalen“ Wegen zur Welt: Mit dem Kopf oder mit dem Po zuerst. Es gibt nur zwei Indikation für den Kaiserschnitt: Das Baby liegt quer oder es hat ein Bein nach unten gestreckt und das andere nach oben angewinkelt. 

Ich lade euch ein, euch einmal Bilder anzuschauen, wie genial sich ein Baby zu einem Ei zusammenfaltet. Fühl einmal hin. Ich kann jedes Baby verstehen, dass lieber so geboren werden möchte. Es schützt seinen Kopf mit Händen und Füßen und flutscht als Ei viel einfacher den Geburtsweg hinunter. Für die Mama sind BEL-Geburten angenehmer und leichter, verriet mir eine Hausgeburtshebamme aus Belgien, die auch meine Bindungsanalyse-Kollegin ist.

Nur Babys können intuitiv die richtige Entscheidung für ihre eigene Geburt treffen. Es nimmt seinen sichersten Weg auf die Welt genau wahr. Dies finde ich, ist die wichtigste Botschaft an dich als Mama. Damit du den Weg deines Babys mit deiner Kraft unterstützt und für euch beide das Beste daraus machst – zusammen mit dem Papa. 

Damit löste sich der „Protest des Babys“ und die „Fehlleistung“ auf und waren kein psychisches Hindernis mehr für eine sichere gesunde Geburt. Die Mama war in ihrer Mutterschaft auch psychisch angekommen. Sagenhafte 2 Stunden und 45 Minuten dauerte die Geburt mit den Hypnobirthing-Techniken und dem Kontakt zum Baby, den sie in den Geburtsvorbereitungsstunden nach Jenö und Hiddas verinnerlicht hatten. Die Press-Anweisungen der Klinikhebamme hat die Mama einfach ignoriert. 

Erkennst du noch einen weiteren Grund, wieso das kleine Baby ganz weise richtig entschieden hatte? 

Stell dir einmal vor, du würdest mit wenigen Wehen in 2 Stunden und 45 Minuten aus deinem ersten Zuhause herausgedrückt werden in eine riesengroße fremde Welt. Was fühlt sich da sicherer an? Mit dem Kopf zuerst? Oder mit dem Po? Und das Baby hat möglicherweise auch wahrgenommen, dass seine Mama ruhig einmal lernen darf, dass sie auch mit „bösen“ Ärzten ihr Ding machen kann. 

Ich glaube, dass das Baby wusste, wie seine Geburt sein würde. Meine Klientin hat erzählt, dass es einfach und angenehm war. Nur als der Kopf geboren wurde, musste sie sich mehr anstrengen und es tat mehr weh. 

2016 habt Ihr wundervolle Möglichkeiten, Risiken für Schwangerschaftskomplikationen und schwierige Geburten im Vorfeld zu erkennen und zu über 90 % auszuschalten. „Bindungsanalyse-Babys“ kommen in leichteren und kürzeren Geburten zur Welt. Wir erleben, dass sie sofort ganz geboren sind und weniger als 20 Minuten am Tag schreien. Sie sind tagsüber hellwach und schlafen dafür nachts einige Stunden länger und vergleichsweise schnell ganz durch. 

 

Viele weitere Tipps rund um Schwangerschaft, Geburt & deine Reise als Mama

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Autorin: Doris Lenhard

Doris ist Systemische Familientherapeutin, Hypnobirthing-Kursleiterin und Bindungsanalytikerin. In ihrer MaBaZ-Praxis in Bonn begleitet sie schwangere Paare und unterstützt Paare mit unerfülltem Kinderwunsch. Paartherapie und erweiterte Biographiearbeit mit der Bindungsanalyse für Erwachsene, die ihre pränatalen Wunden versorgen möchten, gehören ebenfalls zum Praxisangebot. 

www.fachpraxis-doris-lenhard.de

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