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Alle Menschen haben ein tiefgehendes Bedürfnis nach körperlicher und emotionaler Nähe. Haben sie von Beginn ihres Lebens an Liebe, Nähe, Achtsamkeit und Feinfühligkeit von ihrem Umfeld erfahren, wurde ihnen damit der Weg geebnet, sich im Leben sicher zu fühlen, sich und anderen zu vertrauen, Gefühle zu äußern, Nähe zuzulassen, empathisch auf andere Menschen zu reagieren, um nur einige Beispiele zu nennen. 

Doch ab wann entsteht Bindung?  Wie kann die Mutter-Kind Bindung aufgebaut, gefördert, erhalten werden? 

Bereits mit Beginn der Schwangerschaft kann zwischen der Mutter und dem Ungeborenen die erste kleine Bindungssaat gepflanzt werden. Hatte die werdende Mutter einen starken Kinderwunsch, der nun endlich in Erfüllung geht, kann schon der sichtbare Streifen auf dem Schwangerschaftstest, zu einer Ausschüttung von Glückshormonen führen. Gedanken an das wachsende Leben im eigenen Körper können die ersten zarten Bande der Mutter-Kind-Beziehung bilden. 

Mütter, die ungeplant schwanger werden, sind vielleicht erst einmal überrascht, geschockt und verdrängen das Wissen um die Schwangerschaft ggf. kurzzeitig. Doch oftmals kommt mit den ersten körperlichen Veränderungen, dem ersten Ultraschall, dem Blick auf ein kleines schlagendes Herz oder auch mit den ersten, zarten Bewegungen im Mutterleib ein starkes Bindungsgefühl zum Vorschein. 

Ebenso gibt es Frauen, die keine Glücksgefühle aufgrund der Schwangerschaft und dem wachsenden Leben in sich hegen. Die nicht begreifen können oder wollen, dass ein Kind in ihnen aufwächst und vielleicht die ersten Glücksgefühle erst entwickeln, wenn sie ihr Baby in den Armen halten. Spätestens wenn sie ihr Baby in den Armen halten, sehen und riechen, wird die erste Bindung zwischen Mutter und Kind aufgebaut. 

Der Bindungsbeginn kann wie beschrieben individuell zeitlich sehr verschieden sein und nicht erzwungen, jedoch bereits in der Schwangerschaft gefördert werden. Wichtig zu wissen ist, dass nicht nur die Mutter-Kind Bindung, sondern ebenfalls die Vater-Kind-Bindung oder Geschwister-Kind-Bindung in dieser Zeit bereits beginnen kann. 

Auch das Ungeborene ist bereits in der Schwangerschaft in der Lage Stimmungen und Bewegungen zu erfühlen, Stimmen zu hören und Kontakt zur Welt außerhalb aufzunehmen. Wird z.B. auf seine Bewegungen reagiert, wird sein Kontaktbedürfnis bedient und Bindung aufgebaut. Je weiter die Schwangerschaft voranschreitet, desto mehr ist ein Baby in der Lage zu hören, Emotionen der Mutter zu fühlen u.v.m. 

Wenn du die Bindung zu deinem Kind bereits in der Schwangerschaft intensivieren möchtest, gibt es viele Möglichkeiten dies zu tun. Wichtig ist, dir deine Schwangerschaft und das wachsende Leben in deinem Bauch bewusst zu machen. Nimm dir Zeit und gönne dir Ruhe, um in dich hinein zu spüren. Beobachte die Veränderungen an deinem Körper und mache dir bewusst, dass dieser sich auf die Ankunft deines Babys vorbereitet. Jede Berührung deines Körpers und vor allem wachsenden Bauches, auch wenn du dein Kind noch nicht spürst, tut euch beiden gut. Hormone wie Oxytocin, das Bindungshormon oder auch Glückshormone wie Endorphin werden so ausgeschüttet. Auch leichte Massagen durch deinen Partner unterstützen dies und fördern so auch die Bindung von Vater und Kind. 

Je öfter du das Ungeborene in deinem Bauch visualisierst, desto mehr nimmst du auch emotional Kontakt zu ihm auf. Stell dir vor wie es in dir wächst, sich dreht, auf deine Aktivitäten reagiert, deine Herztöne wahrnimmt, durch deine Bewegungen geschaukelt und auch beruhigt wird. Je öfter du dies bewusst wahrnimmst, desto mehr baut sich die Bindung zu deinem Kind auf. 

Man liest immer wieder, dass Babys auf Töne reagieren. Bereits im 2.ten Trimester können sie hören und mit Fortschreiten der Schwangerschaft auf Töne reagieren. Du, Dein Partner oder auch das erwartungsfreudige Geschwisterchen könnt mit dem Ungeborenen sprechen, so dass die Stimmen der Eltern und Geschwister dem Baby von Tag zu Tag mehr bekannt sind. Auch Musik dringt zu deinem Baby durch. Wenn du einmal auf einem Konzert bist, wird es seine Freude oder auch den Unmut darüber vielleicht durch Tritte zeigen. Dies sind nur einige Beispiele wie die erste Bindung in der Schwangerschaft stattfinden kann. 

Wie wird die Bindung mit dem Ankommen deines Babys auf der Welt gefördert? 

Der Moment, an dem du dein Baby auf die Brust gelegt bekommst, ist einzigartig. Gemeinsam habt Ihr den Geburtsvorgang durchlebt und seht Euch nun das erste Mal. Unabhängig davon wie und in welcher Form die Geburt verlaufen ist, ist es für das erste Bonding nach der Geburt sehr wichtig, dass Ihr möglichst schnell Hautkontakt bekommt, dass du dein Baby in den Armen halten kannst, Ihr Euch sehen, riechen, spüren könnt. Nun braucht es Ruhe, Zeit, Ungestörtsein und viel Kuscheln, damit Ihr gemeinsam ankommen könnt und auch der erste Stillversuch ermöglicht wird. Je weniger ihr dabei gestört werdet, je mehr Zeit ihr gemeinsam habt, desto näher werdet Ihr Euch kommen. 

Auch bei einem Kaiserschnitt ist in vielen Fällen der schnelle Hautkontakt möglich. Wenn du weißt, dass dein Kind per Kaiserschnitt auf die Welt kommen wird, dann kannst du dir vorbereitend ein Bondingtop besorgen. Dies kann über die Brust gezogen werden und sobald dein Baby da ist, das Kind darunter gelegt werden. So brauchst du keine Angst haben, dass es verrutscht, falls du es noch nicht so gut halten kannst, es hat es kuschelig warm und Ihr habt direkten Körperkontakt. Als Alternative geht natürlich auch z.B. ein Bauchband aus deiner Schwangerschaft oder einfach ein warmes Tuch, welches über euch gelegt wird. Falls dein Baby aufgrund einer besonderen Situation räumlich von dir getrennt wird, mach dir keine Sorgen, die Bindung kann auch einige Zeit später noch aufgebaut werden. 

Bei Frühchen hilft zum Bindungsaufbau das sogenannte Känguruhen. Das Baby wird auf dich oder deinen Partner gelegt (dies ist auch mit Atemhilfen und ähnlichem) möglich und ihr kuschelt Haut an Haut. Das Baby hört so Eure Herztöne, kann euch riechen, wird gewärmt und ihr könnt stundenlang kuscheln. Dies hat nachweislich für das Frühchen eine sehr beruhigende und stabilisierende Wirkung. 

Bei einer schlechten Geburtserfahrung kann ein heilendes Bonding-Bad helfen. Hierbei wird die Geburt für Mutter und Kind auf eine sanfte Art und in Form eines Bades noch einmal nachempfunden. Die Mutter liegt mit nackter Brust warm zugedeckt im Bett und bekommt, sobald sie signalisiert, dass es für sie gut ist, ihr für wenige Minuten zu Wasser gelassenes Kind auf den Bauch gelegt. Beide dürfen nun ganz in Ruhe kuscheln. Dies sollte auf jeden Fall durch eine erfahrene Person z.B. deine Hebamme, Doula oder Traumatherapeutin begleitet werden, da dies sehr emotional sein kann. 

Kinder sind Traglinge

Schon im Bauch wurden sie durch deine Bewegungen geschaukelt und damit beruhigt. In einem Tuch oder einer Babytrage fühlen sich Babys sicher und werden durch eure Bewegungen sanft beruhigt. Auch hier kann es dich riechen, deinen Herzschlag hören, eine wunderschöne Art euch zu binden. Das Tragen ist auch eine wundervolle Bindung für Vater und Kind. Gerade wenn du im Wochenbett erschöpft bist, ist dies für dich eine wunderbare Entlastung und Vater und Kind haben Zeit und Nähe für sich. 

Ein Privileg der Mama ist das Stillen, welches sehr bindungsfördernd ist. 

Bereits ab der Geburt kann gestillt werden. Auch wenn du noch keinen Milcheinschuss hattest, wird dein Baby bei engem Hautkontakt und wenn Ihr nicht gestört werdet, nach kurzer Zeit von selbst beginnen, an deine Brust zu krabbeln und versuchen an deiner Brust zu saugen. Der sogenannte Breast Crawl ist ein wunderbares Instrument der Natur, bei dem durch Kontaktflächen zwischen Mutter und Kind, die natürlichen Reflexe des Kindes aktiviert werden und es tatsächlich in der Lage ist, weitestgehend selbstständig an deine Brust zu robben. Ein wundervoller Start für eure Stillbeziehung. 

Auch wenn das Stillen nicht auf Anhieb klappt, lass dich dadurch nicht verunsichern und lege dein Baby immer wieder an, so viel ihr mögt. Irgendwann wird es vom Kuscheln auf das Stillen übergehen und das Stillen wird sich einspielen. Ihr müsst es beide lernen und werdet eine wunderbare Bindung eingehen. 

Bist du eine Mutter, die nicht stillen kann oder mag, mache dir keine Sorgen. Auch zugewandtes Füttern, in dem du Augenkontakt mit deinem Baby hast, auf seine Signale reagierst und Ihr euch körperlich nahe seid, also das Kind in deinem Arm liegt, ist der Bindung sehr förderlich. Dies kann dann auch dein Partner übernehmen und so die Bindung zu seinem Kind immer mehr aufbauen. 

Wundervoll für Mama, Papa und Kind sind abgesehen von den Kuscheleinheiten und dem Tragen auch Massagen. Die Babymassage hilft euch aufeinander einzugehen, achtsam miteinander zu sein, euch zu entdecken und körperlich sehr nah zu sein. 

Du siehst, es gibt viele Wege und Möglichkeiten, um eine sichere Mutter-Kind/Vater-Kind-Bindung aufzubauen. Einige werden für dich interessant und anwendbar sein, andere nicht. Welchen Weg ihr als Familie auch wählt, euer Weg ist der für euch richtige. Am wichtigsten ist es, achtsam miteinander zu sein, sich Zeit zu geben und in aller Ruhe gemeinsam im Familienleben anzukommen. 

Für diesen Weg wünsche ich Euch alles Gute. 


Autorin: Inga Sarrazin

Inga ist Mama von Zwillingen und Mitgründerin von maternita Schwangerschafts-Concierge und Baby Planner in Berlin. Sie begleitet werdende und wachsende Familien durch die Zeit der Schwangerschaft und erstem Jahr mit Baby. Dabei gibt sie organisatorische Hilfestellungen, vermittelt Informationen rund um Schwangerschaft und Baby, übernimmt Aufgaben und schafft somit Entlastung. Als AFS Stillberaterin bietet sie zudem Stillberatung vor allem für Zwillingsmütter an. Ob persönliche Begleitung, Teilnahme an ihren Workshops oder Stillberatung, auf www.maternita.de erhaltet ihr mehr Informationen.

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