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Liebe Jana, schwangere Frauen strahlen ganz besonders. Was glaubst du, woran liegt das?

Du meinst, abgesehen von der rein medizinischen Erklärung, nach der durch eine erhöhte Bildung von roten Blutkörperchen der Teint rosiger erscheint – und die Schwangerschaftshormone magisch kleine Fältchen glätten? Nun ja, ich denke, dass die Freude auf das Kind auch seinen Teil dazu beiträgt. Ich kann mich zumindest noch gut daran erinnern, dass ich damals permanent in mich hinein lächeln musste. Das strahlt doch auch nach außen ab.

Die Welt des Ungeborenen ist magisch. Heute wissen wir wie tief die Verbindung von Mutter und Baby bereits im Mutterleib ist. Wie kann eine Schwangere die Verbindung zu ihrem Baby stärken?

Oft ist es doch so, dass die Schwangerschaft, zumindest in der ersten Hälfte, ein bisschen nebenher läuft. Der Alltag wiegt schwer und Aufgaben wollen erledigt werden. Ich denke, man kann nicht früh genug damit beginnen, ein inneres Zwiegespräch mit seinem Kind zu führen und es so am eigenen Leben bereits richtig teilhaben zu lassen. Es ist ja schon da – nur halt noch nicht draußen. Und natürlich ist es schön, ihm etwas Extra-Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Wenn man beispielsweise morgens seinen Bauch liebevoll eincremt oder ihn am Abend auf dem Sofa oder bei einem entspannenden Bad ein bisschen streichelt, dann tut man sowohl sich selbst, als auch dem Baby etwas Gutes. Diese Kontaktaufnahme führt dazu, dass man sowohl die eigenen Bedürfnisse, als auch die des Babys viel eher wahrnimmt. Man lernt sein Kind schon kennen, weiß wann es schläft und wann es spielt, welche Musik es mag, welche Yogaübung ihm nicht so gut gefällt und wann es einfach mehr Ruhe braucht. Es gibt viele Möglichkeiten der vorgeburtlichen Beziehungspflege. Dabei ist es natürlich immer ein bisschen Typsache, was man ausprobieren möchte und was lieber nicht: Einige Frauen sprechen gerne viel mit ihrem Baby, andere liebkosen es bewusst durch tiefes „in den Bauch atmen“. Wieder andere spielen einfach mit den kleinen „Beulen“ am Bauch. All diese Möglichkeiten sind gut und richtig. In meinen Geburtsvorbereitungskursen ist mir – neben der reinen Wissensvermittlung – wichtig, den Kontakt mit dem Kind zu fördern, es aktiv mit zu denken und „seine Aufgaben“ unter der Geburt zu thematisieren. Beispielsweise ertasten wir am ersten Kursabend gemeinsam die Lage der Babys. Oft bekommen die Frauen (und Partner) zum ersten Mal ein Gefühl für die Bewegungen des Kindes: „Ach, die kleine Beule da unten links, die da abends immer zu merken ist, das ist die kleine Hand!“ Von da an gilt die Aufmerksamkeit viel stärker dem Baby. Es wird über seinen Charakter spekuliert, angemerkt, dass das Baby einen ganz eigenen Rhythmus hat und häufiger mit ihm gesprochen. Dieser Fokus auf das Kind – und weg von den vielen eigenen Schwangerschaftsbeschwerden – ist etwas sehr Positives. Ich bin davon überzeugt, dass dadurch viele der kleinen Zipperlein zumindest etwas verblassen.

Die Geburt ist wie ein Tanz von Mutter und Kind. Dabei haben beide manchmal einen ganz unterschiedlichen Rhythmus und sie müssen ihren gemeinsamen Takt neu finden. Eine starke Verbindung zueinander erleichtert dieses Finden. Was hilft deiner Erfahrung nach dabei, die Verbindung auch während der Geburt zu halten? 

Manchmal passiert es, dass die Mutter dem Baby den Schmerz übel nimmt. Das finde ich immer sehr schade. Denn dabei wird vergessen, dass das Baby auch seinen Teil leistet und es sich dabei tatsächlich um eine richtige Zusammenarbeit von Mutter und Kind handelt. Daher ist es wichtig, dass die Mutter schon frühzeitig eine Beziehung zum Kind aufbaut, und etwas über das Geschehen unter der Geburt weiß. Denn dann kann sie die Bedürfnisse des Kindes viel besser in ihre Aktionen mit einbeziehen. Eine Frau, die weiß, was ihr Kind leistet, wird automatisch gut in den Bauch atmen, weil es ihr gut tut und sich ihre Muskeln dadurch entspannen. Aber sie tut es auch, weil sie weiß, dass ihr Baby den Sauerstoff dringend braucht und ihm die Entspannung im Bauch mehr Raum gibt. Sie wird sich im Becken wiegen und ihr Kind schaukeln, um es zu beruhigen und ihm seine Schraubbewegung, die es vollführen muss, leichter zu machen. Aber sie tut es auch, weil ihr die Bewegung selbst gut tut und sie sich dadurch ebenso beruhigt. Es ist also eine Mischung aus Intuition und Wissen, die bei einer Geburt die Kraft von beiden Beteiligten am optimalsten bündelt. Manchmal ist die Intuition in unserer technisierten Welt ein wenig verschüttet. Darüber habe ich in „Natur vs. Technik in der Geburtshilfe“ schon mal geschrieben. Ein guter Geburtsvorbereitungskurs oder eine entsprechende Lektüre, können sie aber wieder hervorlocken.

Was verzaubert dich ganz besonders, wenn du an die Geburt eines Babys denkst? Was lässt dich immer wieder staunen?

Oh, wie soll ich das in Worte fassen? Eine schöne Geburt berührt mich immer wieder sehr und macht mich vor allem demütig und dankbar. Woran das im Detail liegt, kann ich so genau gar nicht benennen. Eine Geburt ist ein unglaublich kraftvoller Prozess, der einfach alles von einem fordert, einen aber auch mit so viel Selbstbewusstsein, Stärke und einem Rausch beschenkt, wie man es vorher nie für möglich gehalten hätte. Das gilt für Geburten, die selbstbestimmt, behütet und gut verlaufen dürfen. Ebenso kann eine Geburt aber auch alle Kraft und Stärke aufsaugen und eine Frau regelrecht entwürdigen. Das passiert häufig dann, wenn sie gestört verläuft oder sogar gewalttätig oder übergriffig war. Wer dazu mehr erfahren möchte, wird in „Gewalt in der Geburtshilfe – Roses Revolution Day“ fündig. So eine schlimme Geburt belastet mich dann sehr und macht mich unglaublich wütend. Eine gute und ausführliche Geburtsvorbereitung kann helfen, dem bereits im Vorfeld entgegen zu wirken.

Die meisten Babys werden in Krankenhäusern geboren. Dort ist manchmal nicht ganz so leicht eine besondere – magische – Stimmung im Geburtsraum zu erzeugen bzw. zu erhalten. Wie kann eine Schwangere auch dort ihren besonderen Geburtsort erschaffen? Worauf sollte sie achten?

Jetzt muss ich ein bisschen politisch werden: In einem personell gut ausgestatteten Krankenhaus rennt jedes Paar, das eine möglichst natürliche Geburt möchte, offene Türen ein. Die Hebammen haben dort genügend Zeit, es ihnen schön zu machen. Die gute Stimmung entsteht dann durch Ruhe, respektvollen Umgang und die Rücksichtnahme auf individuelle Wünsche. Auch für uns Hebammen ist so ein Arbeiten ein Traum. Leider sieht die Realität aber meist ganz anders aus: Das Personal ist gestresst, abgehetzt und ausgebrannt. Wir handeln dann manchmal einfach anders, als wir es uns selbst wünschen, weil es einfacher ist und die Zeitnot oft nichts anderes zulässt. Stichwort: Elternprotest. Daher empfehle ich, sich nicht zu abhängig von äußeren Umständen zu machen, sondern sich selbst so gut wie möglich vorzubereiten und eben alles dabei zu haben, was einem die Geburt angenehmer macht. Das gelingt z.B. durch einen Geburtsbegleiter, der genau weiß, was einem wichtig ist und der auf die Grundbedürfnisse achtet, motiviert, massiert oder einem auch einfach „nur“ die Hand hält. Diese vertraute Person (der Partner oder auch ein anderer Herzensmensch) kann einem unglaublich viel Kraft geben und einen etwas abschirmen, wenn es in der Klinik mal stressig wird.

Als einen weiteren magischen Aspekt empfinde ich die weibliche Verbundenheit während der Geburt. Wir werden in dieser sensiblen Übergangsphase gehalten, beschützt, ermutigt und gefeiert – meist von unserer Hebamme, vielleicht auch von einer Doula oder Freundin. Wie erlebst du diese Verbindung in deiner Arbeit als Hebamme?

Es ist fast unheimlich, wie schnell in so einer „Lebenskrise“ Verbundenheit und Intimität entsteht. Innerhalb kürzester Zeit werde ich plötzlich zur besten Freundin, Mutter, Schwester und Vertrauten einer mir eigentlich fremden Frau. Ich bin mir der Verantwortung, die dieses hingebungsvolle Vertrauen mit sich bringt, sehr bewusst. Ich aber bin eben nicht die beste Freundin, sondern „nur“ die erfahrene Wegbegleiterin. Allerdings ist diese Stimmung, die dann manchmal entsteht, schon sehr besonders. Aber auch sehr liebevolle Partner können diesen wertvollen (Schutz-)Raum entstehen lassen und tun dies erfreulicher Weise immer öfter…

Ein magisches Geburtserlebnis braucht Vertrauen und Hingabe. Wie kann ich als Schwangere diese Aspekte stärken?

Nur wenigen Frauen fliegt eine magische Geburt ganz von allein zu. Die meisten, die so eine traumhafte Geburt erleben, haben sich zuvor gut vorbereitet. Es ist so: Wenn wir in eine Geburt starten, bringen wir schon einiges an emotionalem Gepäck mit und haben in unserem Leben bereits viel über Schmerzen gelernt. Vor allem: Schmerzen sind immer schlecht. Sie entstehen durch Krankheit oder Verletzungen. Setzt also der Geburtsschmerz ein, dann reagieren wir in der Regel – gemäß des erlernten Verhaltens – reflexhaft mit Anspannung, Adrenalinausschüttung und Stress. Das ist für jede Geburt kontraproduktiv. Bei einer guten Geburtsvorbereitung lernt man, diesen Automatismus zu durchbrechen. Man macht sich bewusst, dass Geburtswehen gut und nötig sind und keine zerstörerische Macht über uns haben. Sie sind häufig tolerierbarer als man denkt und müssen nicht mal zwangsläufig schmerzhaft sein. Wir erarbeiten uns also schon vorab eine Bewältigungsstrategie für die Wehen. Ob es durch eine gute Atemtechnik, durch Mantren und Affirmationen, durch ein bestimmtes Geburtsbild oder aus allem zusammen besteht, ist individuell. Darüber hinaus gibt es weitere positive Faktoren, die geburtsfördernde und schmerzlindernde, körpereigene Stoffe zum Fließen bringen. All das kann man im Vorfeld gut anbahnen. Aus diesem Grund habe ich das eBook „Das Geheimnis einer schönen Geburt“, geschrieben. Dort habe ich all die wichtigen Informationen, Werkzeuge, Fakten, ToDo-Listen und Vorbereitungsmöglichkeiten rund um die Geburt zusammengetragen. Ich möchte Frauen dazu ermutigen, sich möglichst früh in der Schwangerschaft mit der anstehenden Geburt zu beschäftigen und entsprechende Vorbereitungen zu treffen. Es braucht Zeit, sich über die eigenen Wünsche und Möglichkeiten klar zu werden, den Geburtsplan dann zu verinnerlichen und kontinuierlich zu visualisieren. So lernst du, deinem Körper und deinem Baby auf dieser Reise zu vertrauen und hast konkrete Strategien parat, um über die Anstrengung und Erschöpfung hinwegzukommen. Und mit einer Prise Glück ist der Weg dann frei für eine richtig schöne Geburt.

Gibt es noch etwas, was du den Frauen zum Thema „die Magie der Geburt“ mitgeben möchtest?

Es ist wichtig, dass man bei allen Vorbereitungen offen und flexibel bleibt. Eine Geburt ist niemals etwas, bei dem man alle Punkte abarbeitet und dann ein bestimmtes Ergebnis erzielt. Jede Geburt ist einzigartig. Wenn man es schließlich schafft, den Kopf auszuschalten und sich bedingungslos hinzugeben, dann kommt die Magie oft ganz von selbst.

 

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Interview mit der Hebamme Jana Friedrich

Jana Friedrich ist seit 17 Jahren Hebamme. Sie ist Autorin des Hebammenblogs und schreibt außerdem für verschiedene Zeitschriften und Portale. Anfang des Jahres hat sie ihr erstes e-Book „Das Geheimnis einer schönen Geburt“ veröffentlicht. Mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern lebt sie in Berlin.

www.hebammenblog.de

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