Titelbild: Adobe Stock © alicjane

Das Sterben gehört zu den großen Tabuthemen innerhalb unserer Gesellschaft. Es existiert kein gesundes Verhältnis zu diesem ganz normalen Bestandteil unseres Lebens. Und mir ging es bis vor wenigen Monaten ebenso. Ich erinnere mich, dass ich schon als Kind große Angst vor dem Tod und dem Verlust meiner engsten Familienmitglieder hatte. Aus der heutigen Perspektive kann ich eigentlich sagen, es hat mich gequält. Diese unfassbare Vorstellung, nicht mehr zu sein. Einfach weg, als hätte es mich nie gegeben. Diese große Angst vor dem Unbekannten – vor dem Tod – hat mich lange Zeit wegsehen lassen, diese Angst unterdrücken lassen.  Ich hatte versucht, diese Angst von mir abzuspalten. 

Vor einigen Monaten schlug mir dann Kristina vor, einen Artikel zum Thema „die Tore des Lebens“ zu schreiben. Beim Lesen ihrer E-Mail reagierte mein Körper sofort und gab mir zu verstehen: „Alarm! Geh‘ nicht durch diese Tür! Hier verlässt du die Wohlfühlzone“. In meiner Antwort kamen folgende Zeilen vor:

„Die Nähe von Geburt und Tod – so spannend. Ich merke, dass ich da selbst noch viel innere Arbeit zu tun habe. Also eigentlich umso spannender … Ich gehe da schon in Resonanz, weiß aber gerade nicht, ob ich den Mut finde, weil mich alle Themen des Magazins automatisch dann immer ganz stark begleiten. (…) Hm, also vielleicht ist es jedoch genau das richtige Thema. Ich öffne mich langsam. :-)“ 

Wie ich ihr schrieb, ich wusste, wenn es einen Artikel dazu im Magazin gäbe, würde ich das Thema auch in mir bewegen müssen. Zwei Wochen später wurde ich ungeplant mit unserem vierten Kind schwanger. Diese Neuigkeit brachte ein großes Gefühlschaos mit sich, wobei dann doch schnell die Freude überwog. Ich sah mich auf diesem Weg voller Hingabe. Und dann erfuhr ich in der 9. Woche – ohne dass diese Möglichkeit je in mir Raum eingenommen hatte –, dass die kleine Seele den Sprung auf die Erde nicht geschafft hatte. Vielleicht hatte sie das auch gar nicht beabsichtigt. Ich fühlte in mir Stille. Für kurze Zeit wusste ich nicht, wer ich gerade war und was ich eigentlich gerade fühlte. Zunächst dachte ich, es ginge um das Loslassen, aber irgendwie fühlte sich das noch nicht richtig an. Und in dieser Zeit zog ich mich dann eines Morgens zurück für eine Meditation und nahm Verbindung zu meinem Herz und dieser Seele auf, die da bei mir gewesen war. Und ich sah uns (mich und den kleinen Marienkäfer) in einem Wald auf einem sonnigen, sehr langen Weg. Der kleine Marienkäfer saß einfach auf meiner Schulter, und wir gingen gemeinsam auf diesem sonnigen Weg. In diesem Augenblick durfte ich verstehen, dass es nicht um das Loslassen ging, sondern um die Erkenntnis, dass wir immer beieinander sind. Wie wunderbar! Schau‘ in den Himmel, schau‘ zu den Sternen, schau‘ zum Mond und du wirst diese Magie fühlen, die alles hier umgibt … Diese Welt ist unglaublich und wir sehen nur einen Bruchteil davon. Wir sind immer verbunden, mit Allem und Jedem, zu jeder Zeit. Wie sagte der kleine Prinz: „Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“

Und ich durfte durch diese Erfahrung auch lernen, dass es so wichtig ist, dass wir uns mit all diesen schweren Themen befassen. Hierzulande herrscht die Meinung, wir dürfen nicht zu früh von der Schwangerschaft erzählen, falls ja doch noch etwas schiefgeht. Aber bitte, nein! Es ist so wichtig, dass wir füreinander da sind – in freudigen, aber auch in den schweren Momenten. Wir konnten bisher keine Schwangerschaft lange für uns behalten, so auch nicht die letzte. Und so berichteten mir dann so viele Frauen, dass sie ebenso eine Fehlgeburt erlebt hatten. Ich war völlig überrascht. Klar, wir lesen und hören, wie oft es passiert, aber im nahen Umfeld habe ich es bisher nur ganz, ganz selten wahrgenommen. Und nun begegnete ich all den Frauen, die mitfühlen konnten mit mir und für einige von ihnen war meine Offenheit und meine Verletztlichkeit, die erste Möglichkeit sich auch zu zeigen mit ihrer Erfahrung. 

Ich glaube, wir sind hier auf der Erde, um uns im Miteinander zu üben – in Liebe, Güte, Vertrauen, Verbundenheit und Mitgefühl. Dazu müssen wir uns wieder verbinden. Mein Aufruf an euch alle lautet also: 

Teilt ALLES – die Freude, aber auch den Schmerz. Lasst uns zusammen tanzen und lachen, aber auch zusammen weinen und uns gegenseitig Trost spenden. 

In den letzten Monaten hat sich also – ich ahnte es – zu diesem Thema sehr viel in mir bewegt. Ich fühle in mir die Gewissheit, es gibt kein Ende und keinen wirklichen Verlust. Manchmal nimmt eine Seele, die hier auf Erden ein geliebter Mensch war, nur wieder eine andere Form an. Dieses Licht ist aber immer bei uns, wenn wir es rufen. Und indem ich anerkenne, dass dieses Leben hier auf Erden endlich ist, erkenne ich meine Pflicht, hier in diesem Leben, jeden Tag zu genießen und das Allerbeste aus diesem Leben zu machen.    

Ich weiß, es gehört eine Portion Mut dazu, sich diesem Thema zu widmen. Vielleicht fühlst du aber ebenso wie ich ein „Ich öffne mich“ … 

Ich habe für mich lernen dürfen, es lohnt den Mut, diesem Teil unserer Reise hier auf der Erde Aufmerksamkeit zu schenken. Wir werden damit belohnt, zu erkennen wie kostbar jeder Tag ist und – und das finde ich ganz besonders wichtig – zu lernen mit dem Tod umzugehen, nicht nur für uns selbst, sondern auch, wenn liebe Menschen unseres Umfelds von ihm betroffen sind.  


Diese Worte von mir sind eine Einleitung für eine Artikelsammlung zum Thema DIE TORE DES LEBENS in der Sommerausgabe des the mothering journey Magazins: Als der Tod mich lebendiger machte * Die Tore des Lebens * Die Regenbogenbrücke * Zwischen den Welten * LivaYourLive * Trauer bei Kindern

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