Titelbild: © Halfpoint – Adobestock.de

Während der Schwangerschaft liegt häufig das Gedeihen des Babys oder die Geburt im Fokus der Vorbereitung. Zweifelsohne wichtige, weltbewegende Vorgänge. Die Geburt markiert als Zäsur nicht nur das Ende der Schwangerschaft, sondern vor allem auch den Beginn eines neuen Lebens. Für alle Familienmitglieder heißt es ab da: jetzt geht’s erst richtig los.

Ein entspannter Start kann viel zu Wohlbefinden und Gesundheit aller beitragen. Das Baby hat in der Schwangerschaft alles mitbekommen, was es für diese Welt braucht. Mit der Geburt hat es bereits seinen Weg ins Leben gemeistert. Und hat auch sein Päckchen mitgebracht, das es fortwährend tragen muss. Auch wenn es die Welt bereits 9 Monate lang im geschützten Mutterleib kennenlernen konnte, ist doch alles neu. Mediziner sprechen von einer physiologischen Frühgeburt, einem noch unreifen Baby. Tatsächlich durchläuft der Babykörper in den ersten zwölf Wochen eine Menge physiologischer Anpassungsprozesse. Es muss sich an die neuen Bedingungen, wie das Wirken der Schwerkraft, eigenständige Atmung, Temperaturregulation, Nahrungsaufnahme und Verdauung gewöhnen. Und die Trennung von seinem ersten Zuhause mit Rundum-Versorgung verkraften. Unzählige Reize prasseln auf allen Sinneskanälen auf es ein und müssen verarbeitet werden. Vielleicht sind in den ersten Minuten oder Tagen auch dramatische Szenen passiert. Das Baby ist von nun an auf eine prompte, bedürfnisorientierte und zugewandte 24-Stunden-Betreuung angewiesen. Es verwundert nicht, wenn das Baby viel zu erzählen hat und seinen Empfindungen etwa durch wütendes Schreien oder trauriges Weinen Ausdruck verleiht.

Die Mutter hat in der Schwangerschaft und während der Geburt körperliche Schwerstarbeit geleistet. Nach der Geburt durchläuft der Körper erneut diverse Umstellungsprozesse. Die Milch schießt ein, die Gebärmutter bildet sich zurück und heilt ihre Wunde, Geburtsverletzungen gesunden. Die Hormone steuern nicht nur körperliche Vorgänge, sondern wirken sich gleichzeitig (vielleicht sogar heftig) auf das emotionale Befinden aus. Das fördert das Bonding, aber auch den Babyblues. Tiefe Liebe zum Kind kann sich abwechseln mit Weltuntergangsstimmung. Stellen sich über längere Zeit keine mütterlichen Gefühle zum Baby ein, oder ist die Weltuntergangsstimmung nur noch düster, finden Frauen erste schnelle Hilfe beim Verein Schatten und Licht (www.schatten-und-licht.de) mit einem Test zur Selbsteinschätzung einer postpartalen Depression und Adressen von Ansprechpartnern in der Nähe.

Individuelle Bedürfnisse berücksichtigen und erfüllen

Mutter und Baby haben in der Zeit des Wochenbetts sehr ähnliche Bedürfnisse; Ruhe und Achtsamkeit helfen bei der Erfüllung dieser. Direkter Hautkontakt von Mutter und Kind unterstützt und fördert die körperlichen und emotionalen Vorgänge. Ein Blick in andere Kulturen, in denen Familie und soziale Gemeinschaft einen höheren Stellenwert hat als bei uns, zeigt, dass frisch entbundene Frauen mitunter äußerst fürsorglich behandelt werden. Haushalt, Kochen, Geschwisterkinder alles wird von anderen übernommen. Aufmerksamkeit und Fokus gelten ausschließlich dem Baby und der eigenen Erholung. In crosskultureller Partnerschaft kann das zu einem regelrecht Kultur-Clash führen, wenn plötzlich die Schwiegermutter aus – sagen wir mal Südamerika, Italien oder der Türkei -anrückt, um den Haushalt zu schmeißen. Es gibt Geschichten von Müttern, die nicht mal mehr selbst essen durften, sondern gefüttert wurden.

Das hat dann zwar auch nicht mehr viel mit Ruhe und Entspannung zu tun, zeigt jedoch, welche Bedeutung der Frau, die neues Leben schenkt, beigemessen wird. Bei uns gilt eine alles-alleine-und-möglichst-perfekt-Mentalität. Dies ist nicht nur, aber vor allem im Wochenbett auf Dauer nicht zu erfüllen. Ein möglichst entspanntes, flexibles und ruhiges Wochenbett ermöglicht einen guten Start ins neue Leben als Familie. Umgekehrt können belastende Erlebnisse aus Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett diesen Anfang erheblich erschweren und mitunter langfristige Auswirkungen haben.

Jede Mutter hat individuelle Bedürfnisse und Wünsche zum persönlichen Wohlbefinden und Glück. Ebenso jedes Kind. Bei jedem Start ins Leben sind die Umstände verschieden. Was jeder einzelnen Frau gut tut, entscheidet sie selbst. Daher nachfolgend keine Ratschläge, sondern ein paar Überlegungen für ein gelingendes Wochenbett.

Unterstützung ist wichtig für Mutter und Baby

Egal in welchem Moment genießen das Wohlergehen von Mutter und Kind oberste Priorität. Im Klinikalltag oder auch zu Hause wird dies nicht immer berücksichtigt. Unsensibles Personal oder Verwandte und Bekannte können bei der hoch empfindsamen Mutter gehörig ins Fettnäpfchen treten oder sogar tiefe Wunden aufreißen. Ebenso kann das Baby etwa verschreckt reagieren, tut dies jedoch oft erst, wenn die Situation vorbei und wieder Ruhe eingekehrt ist. Als (werdende) Mutter ist es wichtig, in Erinnerung zu behalten, dass nur sie selbst bestimmen darf, was mit ihr und ihrem Kind geschieht. Das gilt für die Koordinierung von Besuch und „Darf-ich-mal-halten“ über kleinere und größere, dringliche oder unnötige Interventionen.

Ab der Schwangerschaft müssen wir ständig Entscheidungen für unser Kind treffen. Bei dem immensen Druck, der auf Schwangere und Babymütter ausgeübt wird, ist es leicht vergessen, dass wir niemandem Rechenschaft schuldig sind außer unseren Kindern. Wir sind die Einzigen, die mit diesen Entscheidungen und deren Konsequenzen leben müssen.

Das westliche (vorwiegend medial geprägte) Bild vom Mutterwerden ist oft mit dramatischen Szenen assoziiert, bei dem die Frau erlöst oder gerettet werden muss, statt es als einen natürlichen Vorgang zu begreifen. Die Geburtshilfe und Wochenbettbetreuung wird von einer wachsenden Anzahl von Frauen als demütigend, unachtsam, fremdbestimmt und mitunter gewaltsam empfunden. Die körperlichen und seelischen Wunden, die davon zurückbleiben können, brauchen Zeit zum heilen. Eine enge Vertrauensperson für die Mutter, die über solides Fachwissen verfügt, kann im Vorfeld Schaden abwenden und ihn im Nachhinein mildern und versorgen. Die Gynäkologie geht aktuell landesweit verstärkt in eine andere Richtung.

Ebenso wichtig wie Unterstützung bei der Bewältigung von körperlichen und emotionalen Momenten ist eine Entlastung im Haushalt. Wenigstens für die erste Zeit, besser noch, bis sich alles so richtig eingegroovt hat. Hier mag so manche Mutter auf Unverständnis und Widerstand stoßen, vielleicht kommen noch blöde Sprüche von Frauen! wieviel mehr man selbst „damals“ zu wuppen hatte, das hätte ja auch alles problemlos geklappt. Kommen sie von der eigenen Mutter oder Schwiegermutter ist das schlimm genug. Ist es die Ärztin, mit der man geboren hat, oder die die Nachbetreuung übernimmt, sitzt das wie ein Tiefschlag.

Der Intuition folgen und bei Bedarf Hilfe holen

Die innere Stimme und Intuition sind in der Zeit rund um die Geburt besonders sensibel und ausgeprägt und damit die wichtigsten Ratgeber in der Gestaltung des Lebens mit dem Kind. Von jetzt an; für eine lange Zeit. Sie sind gleichzeitig ein wertvolles weil treffsicheres Kommunikationsmittel mit dem Baby. Auch der Körper dient beidseitig als Seismograph für Stimmungen und Befindlichkeiten. Er hat enormes vollbracht und darf dafür Anerkennung und liebevolle Fürsorge erfahren. Vielleicht wurde er grob oder fahrlässig behandelt, verletzt oder sogar lebensgefährlich bedroht. Das kann es erschweren, ihn liebevoll und fürsorglich zu behandeln, macht es aber gerade dann umso wichtiger und bedarf gegebenenfalls kompetenter Begleitung. Sollte durch belastende Erlebnisse jedweder Art das Wochenbett zu wenig oder gar keine Beachtung gefunden haben, so lässt dies sich mit beispielsweise heilsamen Ritualen aufarbeiten.

Die hoch sensible Phase von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett bietet großes Entwicklungspotential auf der persönlichen und spirituellen Ebene. Gleichzeitig ist diese Zeit sowohl beim Baby als auch bei der Mutter sehr störanfällig. Die Mutter hat dabei die Verantwortung und das Recht, Stress und Störquellen zu erkennen und zu eliminieren. Als Mutter können wir unsere eigenen Bedürfnisse und die unseres Babys selbst am besten einschätzen. Für deren Erfüllung treten wir selbst ein, es macht nämlich sonst kein anderer. Dafür holen wir uns tatkräftige Unterstützung von einer Person unseres Vertrauens. Als Begleiter, Freunde, Familienmitglieder können wir die Mutter-Kind-Einheit bei der Erfüllung dieser Bedürfnisse unterstützen, um ihr achtsam und fürsorglich beim Ankommen zu helfen.

Eine durchdachte Vorbereitung, die die Bedürfnisse und Wünsche der Mutter im Fokus hat, kann zu einem gelingenden Start und damit einem nachhaltig harmonischen Familienleben beitragen. Das Wochenbett heißt so, weil die Frau jederzeit das Recht hat, sich mit ihrem Baby ins Bett zurück zu ziehen, nicht die Pflicht. Das zu tun, was ihr und ihrem Kind gut tut. So wie immer. Aber jetzt besonders! Ob das Baby acht Tage oder acht Wochen alt ist.

Für eine Weile steht die Welt still und alles dreht sich nur um dich und dein Baby!

Ich nenne diese Zeit daher gerne Kaiserinnenzeit.


Autorin: Isabel Falconer

Isabel, Mama von 2 Kindern, begleitet Frauen auf ihrem Weg durch Mutterschaft und Frau-Sein. Als Autorin und Coach gibt sie Impulse zum Thema Mutter werden und Frau bleiben. Fokus ist stets die eigenverantwortliche Förderung der Gesundheit von Mutter und Kind.

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