Titelbild: © Stocksy

“Wenn eine Frau während der Geburt nicht aussieht wie eine Göttin, wird sie von jemandem nicht richtig behandelt.”

Ina May Gaskin, Hebamme

Diese Aussage hat mich geprägt. Vielleicht mutet der Ausspruch von Ina May Gaskin etwas übertrieben an, für mich trifft sie damit jedoch den Kern meines Bestrebens als Doula. Selbstbestimmt zu gebären, ist eine essentielle Erfahrung, die jede Frau spürbar stärkt. Wie dieser Weg konkret aussieht, entscheidet jede Frau sehr individuell. Die Eine sehnt sich nach einer, interventionsarmen und freien Geburt. Die Andere wünscht sich größtmögliche Sicherheit und medizinische Ausstattung. Doch stets ist es der Wunsch, von achtsamen Menschen umgeben und in Geborgenheit versunken zu gebären, der Frauen nach einer Doula suchen lässt. Vielfältige Bedürfnisse sind es, die an mich herangetragen werden. Gemeinsam mit der Frau und oft auch ihrem Partner einen denkbaren Weg zu finden, ist meine Aufgabe. 

Eine Doula wird oft als Dienerin der Frau bezeichnet. Dies findet seinen Ursprung in der Übersetzung aus dem Altgriechischen. Ganz gerecht wird diese Bezeichnung dem Tun einer Doula jedoch nicht. Die Doula dient nicht nur. Sie bringt auch neue Aspekte ins Spiel, klärt über viele Dinge auf und öffnet Horizonte für Alternativen. Sie ermutigt, spendet Trost und gibt Halt. Sie ist keine untergeordnete Dienerin. Vielmehr steht sie der Frau auf Augenhöhe zur Seite und schafft den gebotenen Raum für das intime Ereignis Geburt. 

Die Doula ist keineswegs eine neue Erscheinung. Dass Gebärende von geburtserfahrenen Frauen begleitet werden, war und ist in sehr vielen Kulturen üblich. Eine Doula führt keine medizinischen Handlungen aus. Sie bewegt sich ganz klar außerhalb des Tätigkeitsfeldes medizinischen Personals. 

Entscheidest du dich für die Begleitung durch eine Doula, findet das erste Treffen in der Schwangerschaft statt. Der Zeitpunkt der Kontaktaufnahme kann dabei ganz unterschiedlich sein und vielleicht lernst du mehreren Frauen kennen, um eine gute Entscheidung zu treffen. Nun wird sich zwischen dir und der Doula deiner Wahl ein enges Band spinnen. Die mit deiner Schwangerschaft und Geburt verbundenen Wünsche, Ängste und Hoffnungen finden Platz in euren Gesprächen. Die Doula wird dich dabei in allem unterstützen, ohne ihre eigenen Standpunkte oder Sichtweisen herauszustellen. Sie glaubt an dich und deine Handlungskompetenz. Denn du bist schwanger und wirst gebären. Du trägst deine Absichten und Vorstellungen an die Menschen an deinem künftigen Geburtsort heran. Und du bist diejenige, die den Weg kennt. Deine Doula weiß davon und ist bei dir. Sie vertraut in deine Begabung zu gebären und bestärkt dich darin. 

Du bist der Mittelpunkt, um den sich alles dreht. 

Auch über praktische Dinge kommt ihr euch behutsam näher und stimmt euch auf verschiedene Situationen ein. Ihr könnt Übungen zur Schmerzlinderung ausprobieren oder gemeinsam herausfinden, ob zum Beispiel das Tönen als wirksame Methode zur Entspannung und Lockerung beitragen kann. Vielleicht mildert eine sanfte Massage schon während der Schwangerschaft leichte Beschwerden und hilft dir womöglich auch während der Geburt. Du entdeckst einen passenden Geburtsduft oder geeignete Musik, trägst wohltuende Dinge und Kraftgegenstände zusammen. Alles Wichtige besprichst du mit deinem Partner, um dich sacht auf die Geburt einzulassen. 

Stück für Stück findet sich, was du für deine Geburtsreise brauchst. 

Eine Doula verfügt über ein ganzes Arsenal an effektiven und zweckmäßigen Anregungen, um den Geburtsverlauf positiv zu beeinflussen. Beim Erstellen eines individuellen Geburtsplanes gibt deine Doula Impulse oder informiert über mögliche Alternativen zur oft üblichen Routine. Auch für den Fall einer Kaiserschnitt-Geburt hält die Doula ein breites Wissen für dich bereit und kann dich sogar im OP unterstützen. Selbst zur Anmeldung in der Klinik würde dich deine Doula begleiten können. Ab Beginn der Geburt, der ersten Wehen oder ab einem anderen vereinbarten Zeitpunkt weicht sie nicht mehr von deiner Seite und ist nur dir verpflichtet. Sie schenkt deinem Wohlbefinden viel Beachtung und umsorgt dich feinfühlig. Sie kümmert sich um elementare Bedürfnisse genauso wie um deine ganz privaten Belange. Der Ort der Geburt spielt eine weniger wichtige Rolle, als die Menschen, die die Gebärende umgeben. Der liebevolle, einfühlsame Partner und die, der Frau eng verbundene, Doula schaffen eine warmherzige, wohlige und geschützte Atmosphäre. 

Geburt braucht Intimsphäre und Vertrauen. 

Hebammen, Ärzte oder anderes Klinikpersonal sind sehr darauf bedacht, genug Zeit und Raum für ein positives Geburtserlebnis zu schaffen. Jede Klinik weiß heute um die Wichtigkeit dieser weichen Rahmenbedingungen. Jedoch sind es trotz allem meist fremde Menschen, auf die gebärende Frauen in einer der sensibelsten Phasen ihres Lebens treffen. In der empfindsamen Zeit des Wochenbettes bleibt die Doula deine Vertraute und unterstützt dich neben deiner Hebamme auch weiterhin. Viele Fragen zu den aufregenden Ereignissen rund um die Geburt deines Babys kann sie dir beantworten und dieses überwältigende Erlebnis in Ruhe besprechen. Und auch hier können es wieder ganz praktische Dinge sein, die dir den Start in diesen neuen Lebensabschnitt versüßen. Eine rückbildungsfördernde Bauchmassage, kraftbringende Stillkugeln oder ein Bonding-Bad für dich und dein Baby runden das umfassende Angebot einer Doula ab. Vielleicht überreicht sie dir zum Ende eures gemeinsamen Weges einen ganz persönlichen Geburtsbericht. 

Trotz derselben Grundidee, arbeitet natürlich jede Doula auf eine andere Weise. So unterschiedlich die Bedürfnisse der Frauen sind, so verschieden sind auch die Angebote der Doulas. Sie verfügen oft über verschiedenste Zusatzqualifikationen und Kompetenzen. Es lohnt sich, genau hinzuschauen und die Entscheidung in Ruhe zu treffen. 

Die Doula aus wissenschaftlicher Sicht 

Die amerikanischen Ärzte M. H. Klaus, J. H. Kennel und die Psychotherapeutin P. Klaus haben durch wissenschaftliche Studien in den 1970er Jahren belegt, dass die kontinuierliche Geburtsbegleitung durch eine Doula, die Dauer der Geburt im Durchschnitt um 2 Stunden verkürzt und die Geburt als schmerzärmer empfunden wird. Sie konnten eine Reduzierung der Gaben von Schmerzmitteln um bis zu 50% feststellen. Die Nachfrage nach schmerzstillenden Mitteln sank um 60%, die Kaiserschnittrate fiel um 50%. 

Auch die Cochrane Collaboration als weltweites unabhängiges Netzwerk aus Ärzten und Wissenschaftlern wertete in 23 Studien die Erfahrungen von 15.288 Frauen „Zur kontinuierlichen Unterstützung für Frauen währen der Geburt“ aus und kam im Review 2012 zu sehr ähnlichen Ergebnissen. 

Ausbildung und Kosten 

Für geburtserfahrene Frauen gibt es die Möglichkeit der Ausbildung und Zertifizierung über den Verein Doulas in Deutschland e.V. Die Gesellschaft für Geburtsvorbereitung, Familienbildung und Frauengesundheit bietet ebenfalls eine umfangreiche Ausbildung zur Doula an. Über diese Institutionen findest du eine Doula in deiner Nähe. 

Die Kosten für die Betreuung durch eine Doula werden nicht von den Krankenkassen übernommen. Die Höhe variiert von Region zu Region. Viele Doulas stellen Problemen bei der Finanzierung ihrer Leistungen besondere Angebote gegenüber. Ein immer wieder anzutreffender Grundsatz ist, jeder Frau eine solche Begleitung zu ermöglichen. Die finanzielle Lage soll hierbei nicht vordergründig oder gar hinderlich sein. 


Autorin: Anja Freist

Anja ist Mutter von 4 Kindern und arbeitet als Naturpädagogin und Doula. Sie ist Geschäftsführerin einer naturpädagogischen Kita und leitet Seminare der Familienbildung. Seit einigen Jahren begleitet sie Frauen in der Schwangerschaft und während der Geburt. Als Geburtsbegleiterin bietet sie den Frauen emotionale und körperliche Unterstützung und legt den Fokus dabei auf möglichst viel Selbstbestimmung in dieser sensiblen Phase. 

www.anjafreist.de

DAS PRINT-MAGAZIN