Titelbild: Unsplash © Christian Newman
Meist lesen wir Bücher, führen Gespräche oder besuchen Weiterbildungen, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Manchmal da legt uns das Leben eine Erkenntnis ganz einfach vor die Füße und wir dürfen sie mit dankendem Herzen an uns nehmen. Hier findest du nun im Folgenden ein ganz kurzes Gespräch, das ich gestern Abend in einem Restaurant mitbekam und meinen ganzen Körper durchzuckte.
Wir entschlossen uns am Abend spontan, mit den Kindern essen zu gehen. Abgesehen von uns war niemand im Restaurant bis auf zwei junge Frauen, die fast neben uns saßen. Als ich im Verlauf des Abends mit meiner Tochter von der Toilette wiederkam, hatte eine der beiden Frauen scheinbar einen Anruf erhalten. Und da wir dicht beieinander saßen, war es kaum möglich dieses Gespräch, in dem es offensichtlich um den Besuch bei ihrer Oma ging, nicht zu hören:
Die junge Frau neben uns spricht mit sehr genervter Stimme:
„Sie hat einfach nicht aufgehört zu meckern.“
Sie hört zu.
„Ich habe ihr gesagt, wenn sie nicht aufhört mit der Meckerei, dann muss sie eben ins Heim.“
Sie hört zu.
„Ja dann sie gar nichts mehr gesagt.“
Sofort durchzuckte mich eine Welle des Mitgefühls für diese Omi, die ganz sicher wie jeder andere Mensch, der älter wird, mit vielen Herausforderungen zu kämpfen hat. Aber direkt folgend auf das Mitgefühl für die Oma spüre ich auch das Mitgefühl für die Enkelin, die es in ihrer Kindheit sehr wahrscheinlich erlebt hat, dass in herausfordernden Situationen genau auf diese Art und Weise mit ihr umgegangen wurde.
Alltagssituationen mit Kindern sind oft anstrengend und ich kann für mich sagen, sie bringen mich regelmäßig an meine Grenzen. Ich kann das sehr deutlich in meinem Körper spüren, wenn sich in ihm so viel Druck aufbaut und genau diese “Wenn … dann …”-Sätze aus meinem Mund schießen möchten, in der Hoffnung, diese kaum aushaltbare Spannung im Körper möge endlich verschwinden. Glücklicherweise habe ich einen sehr guten Lehrmeister – meinen großen Sohn, der mich sehr genau spiegelt und all das, was er bei mir hört und sieht in Situationen übernimmt, in denen er mit seinen kleineren Geschwistern ist. Wenn ich mich dann dabei selbst höre, merke ich schnell, wenn ich auf einem ganz falschen Weg bin.
Aber allein das Wissen darum, auf einem falschen Weg zu sein, hilft eben noch nicht. Wir müssen auch lernen, wie wir es anders machen können. Und das lernen wir nicht von heute auf morgen, es ist ein Prozess – der Kraft kostet, keine Frage. Einen neuen Weg zu gehen, ist immer herausfordernder als den alten eingetretenen Pfad beizubehalten, aber abgesehen davon, dass dein Kind davon profitiert:
- Du heilst in diesem Prozess deine eigene Erziehung.
- Das Familienleben wird viel schöner.
- Dein 85-jähriges Ich wird es dir danken.
Alles Liebe, Patricia