Titelbild: © Photocreo Bednarek – Adobe Stock
Mir scheint, es ist noch immer ein gut behütetet Geheimnis, was während der Geburt im weiblichen Körper vor sich geht. Nur wenige Bücher zur Geburtsvorbereitung gehen auf die fein abgestimmten Geburtsprozesse ein. Für mich barg dieses Geheimnis damals allerdings den Aha-Moment, der mir vor Augen führte, wie wunderbar unser Körper funktioniert. Hierin fand ich meinen Schlüssel, wie ich Angst in Vertrauen wandeln konnte und mir raubt es ehrlich immer wieder den Atem, wenn ich mir dieser Großartigkeit bewusst werde. Und mich erfüllt tiefe, tiefe Dankbarkeit, dass ich dieses Wunder in mir erleben durfte.
Ein Verständnis davon zu haben, was während der Geburt im Körper passiert, ist das Fundament jeder Vorbereitung auf den Geburtstag deines Babys. Denn wenn du ein Gefühl dafür bekommst, welche Kräfte wirken und wie fein abgestimmt die Prozesse in deinem Körper sind, wird dein Vertrauen in deinen Körper wie starke Wurzeln sein, die dir Stabilität geben, selbst wenn einmal ein Sturm aufkommt.
Die Muskelschichten der Gebärmutter
Die Gebärmutter besteht aus verschiedenen Muskelschichten, deren Aufgabe und Wirkunsgweise du unbedingt kennen solltest.
Da gibt es zum einen die Innere Muskelschicht, deren Muskulatur ringförmig ist und dein Baby vor allem im unteren Teil der Gebärmutter umschließt. Du kannst dir diese Schicht als gemütliche Schale vorstellen, in der dein Baby während der Schwangerschaft sicher gehalten liegt.
Dann gibt es noch die Äußere Muskelschicht, die auf die Lage deines Kindes ausgerichtet ist, also vertikal verläuft. Diese Muskulatur befindet sich vor allem im oberen Bereich deiner Gebärmutter. Sie erfüllt die ganz besondere Aufgabe, dein Baby während der Geburt mit rhythmischen Kontraktionen hinaus in die Welt zu schieben.
Die Geburt: Das Zusammenspiel dieser Muskelschichten
Damit dein Baby geboren werden kann, müssen sich die unteren, ringförmigen Muskeln entspannen und weiten. In den vergangenen Monaten haben sie ihre Aufgabe erfüllt und dürfen nun Platz machen für diesen besonderen Wendepunkt im Leben deines Kindes. Dazu kontrahieren die oberen, längslaufenden Muskeln rhythmisch, ziehen die ringförmigen Muskeln nach oben und verkürzen somit den Gebärmutterhals und öffnen den Muttermund stetig. Mit dieser wellenartigen Bewegung schieben diese Muskeln das Baby den Geburtsweg entlang. Wenn dein Körper diese rythmischen Bewegungen ungehindert ausführen kann, findet dein Baby ohne Widerstand seinen Weg hinaus in die Welt. Wenn du dich während der Geburt immer wieder in die Vorstellung vertiefst, was gerade jetzt in diesem Moment in deinem Körper geschieht, wirst du intuitiv spüren, wie du die Arbeit deines Körpers unterstützen kannst.
Gib dich der Geburt hin …
Das Wesen einer Wehe gleicht dem Wesen einer Meereswelle. Beide bauen sich langsam auf, erreichen einen Höhepunkt und gehen wieder. Wohl jeder hat in seinem Leben bereits die Erfahrung mit den Wellen im Meer gemacht. Fühle dich nochmal in diese Erfahrung ein … Du wirst dich vielleicht erinnern, dass der Versuch, dich gegen eine Welle zu stellen, schnell zu der Erkenntnis führt, dass sie dir mit voller Kraft entgegenschlägt. Gelingt es dir, die Welle so zu nehmen, wie sie kommt, trägt sie dich und bringt dich weiter bis an dein Ziel. Du musst nichts tun. Lass diese Kraft einfach durch dich fließen.
Wehen oder Wellen?
Als ich mich vor sieben Jahren auf meine erste Geburt vorbereitet habe, fiel mir das HypnoBirthing-Buch in die Hand. Gott sei Dank, denn dieses Buch wandelte grundlegend mein Bild, das ich von der Geburt hatte. Ein wesentlicher Punkt dieser Methode ist der Austausch verschiedener Wörter. Die Vorteile konnte ich damals wirklich sehr gut nachfühlen. Vor allem die Wehen „Wellen“ zu nennen, gefiel mir. Ich mochte dieses Bild sehr. Ich befand mich also ganz und gar in meiner „Wellenblase“. Aber als ich meinen Sohn dann, anders als geplant, aufgrund der Beckenendlage im Krankenhaus bekommen habe, wurde ich ganz schnell aus dieser Blase geschubst. Und als ich später selbst Kurse gab, erzählten auch die Frauen im Kurs, dass es eigentlich schwierig sei, der Wehe im Alltag und eben auch während der Geburt aus dem Weg zu gehen.
Heute – noch mehr als damals – empfinde ich es als schwierig, das Wort Wehe so negativ zu belegen. Um ehrlich zu sein, habe ich selbst die Wehe nie mit „wehtun“ in Verbindung gebracht, bis mir gesagt wurde, dass es so sei. Klingt ja auch logisch und das Wort Welle gefiel mir. Also war alles stimmig. Aber in der Praxis war es dann eben doch nicht so stimmig. Die Wehe begegnet uns immer wieder – in Erzählungen, in Büchern oder eben direkt während der Geburt. Wie wäre es zum Beispiel, wenn die Wehe sich vom Verb „wehen“ ableiten würde? Der Duden sagt:
wehen
* (von der Luft) in spürbarer Bewegung sein
* wehend von etwas entfernen, in eine bestimmte Richtung, an eine bestimmte Stelle treiben
* von der Luft, dem Wind irgendwohin getragen werden
* durch Luftströmung bewegt werden
Der Wind weht … Die Blätter wehen … Ein ebenso schönes Bild für die Geburt. Ich kann mir so gut vorstellen, wie der Wind die heruntergefallenen Blätter erfasst, mit in die Höhe nimmt und wieder nach unten sinken lässt – Stück für Stück an sein Ziel tragend. Versuch es mal: Sieh diesen Weg vor dir – vielleicht im Wald oder am Strand – und dieses eine zarte Blatt, das sich vom Wind an sein Ziel tragen lässt. Und manchmal weht der Wind etwas stärker, aber schau nur, wie weit er dieses kleine Blatt dann trägt. Welch schöne Botschaft trägt mit dieser Deutung die Wehe.
Wehe und Welle, ich finde beides schön und passend, aber mir ist ganz besonders wichtig, dass die Wehe wieder ohne Bedenken beim Namen genannt werden darf sowie in einem Licht erscheinen darf, das ihr gerecht wird und würdigt, welches Wunder sie möglich macht.
In großer Dankbarkeit für diese atemberaubende Kraft in uns,
Patricia
Die Zeichnungen der Gebärmutterschichten für diesen Artikel zauberte Tanja von HerzBauchWerk.
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