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„Möchtest du stillen?“… „Ja, wenn es klappt schon…“
So ähnlich hört sich die Antwort oft an, wenn man eine frischgebackene Mutter fragt wie sie ihr Baby ernähren möchte. Schade daran: Es scheint, als würde die Mutter bereits bevor sie überhaupt das erste Mal gestillt hat, daran zweifeln, dass es klappen wird. Zu solchen Zweifeln gibt es meist überhaupt keinen Grund! Der Großteil der Frauen ist körperlich bestens in der Lage zu stillen.
Eine Schwierigkeit stellt oft eher das sogenannte Mindset dar, also die Gedanken und Einstellungen, die man zum Stillen hat. Diese werden unter anderem beeinflusst von den ganzen Geschichten, die wir in Familie und Freundeskreis erzählt bekommen, wenn das Thema zur Sprache kommt. Ob es die eigene Mutter ist, die bei jeder Gelegenheit betont, dass sie ja nur kurz gestillt habe, weil sie zu wenig Milch hatte oder die Tante, die zustimmt und vermutet, dass das sicher in der Familie läge oder die Freundin, die immer plastischer ihre Probleme mit wunden Brustwarzen schildert. Selbst wenn man es schafft, diese „Horrorstorys“ zunächst beiseite zu schieben, so kommen sie oft als Zweifel zurück.
Woher kommen diese „Horrorstorys”?
Nachdem man als Schwangere diese Erfahrungsberichte aus Familie und Freundeskreis lange genug mit angehört hat, fragt man sich irgendwann „Haben die vielleicht doch recht?“, oder man gewinnt den Eindruck „Stillen scheint ganz schön schwierig zu sein“, denn diese Geschichten müssen ja einen Ursprung haben. Haben sie auch. Die Generationen der heutigen Großmütter beispielsweise haben ihre Kinder in recht stillfeindlichen Zeiten bekommen. Die Großmütter, welche in den 70er Jahren entbunden haben, taten dies nicht nur in sehr altmodisch organisierten Krankenhäusern, welche rigide Zeitabläufe und die Trennung von Mutter und Baby vorsahen. Zusätzlich wurden sie von den massiven Anzeigekampagnen der Babynahrungsmittelindustrie und dem daraus entstehenden Trend zur künstlichen Nahrung beeinflusst. Durch diese Randbedingungen wurde ihnen der Stillerfolg sehr schwer gemacht. Die Großmütter, die in den 80er Jahren Kinder bekamen, hatten außerdem, z.B. vor dem Hintergrund des Dioxinskandals, Angst vor Schadstoffen in der Muttermilch und waren aus diesem Grund schneller bereit künstliche Babymilch zu füttern. Da ist es also nicht verwunderlich, wenn viele der heutigen Großmütter damals rasch und entmutigt aufgaben mit ihren Stillversuchen und deshalb nicht so recht an erfolgreiches Stillen glauben.
Zusätzlich ist meine Erfahrung aus über 20 Jahren Stillberatung und Müttergruppen, dass in den Erzählungen von Müttern an andere (werdende) Mütter über Geburten oder Stillzeit oft jeweils die Extreme betont werden. Man hört also entweder Geschichten, bei denen alles super problemlos und rosarot geschildert wird oder eben das negative Gegenteil, die ganz normalen Verläufe bleiben dabei außen vor. Bei einer „Horrorgeschichte“ weiß man zusätzlich nie, wie genau die Voraussetzungen waren und schon deshalb kann man sie nicht 1 zu 1 auf sich selbst übertragen.
5 Tipps
FÜR EINEN ENTSPANNTEN STILLSTART
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Eine entspannte und zuversichtliche Grundeinstellung als beste Voraussetzung für einen erfolgreichen Stillstart
Offenheit für das „Erlebnis Baby“ macht entspannt! Wenn man zu viele festgezurrte Vorstellungen davon hat, wie es sein wird mit dem Baby, dann kann man manche Momente nicht so genießen, wie diese es verdient hätten. Nur weil sie eben unerwartet gekommen sind oder nicht genau so passiert sind wie man es sich vorher ausgemalt hatte. Geburtshilfe, das Leben mit Neugeborenen, Stillen, Kinder allgemein sind nur begrenzt „planbar“ oder vorhersehbar, und das bleibt auch in den nächsten Jahren so. Einer der Schlüssel für eine entspannte Babyzeit ist also, diese “Unplanbarkeit” anzunehmen und das “Erlebnis Baby” zu genießen wie es ist.
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Gute Information beruhigt und gibt Sicherheit
Oft mache ich die Erfahrung, dass werdende Mütter sich vor allem über die Geburt als solche informieren und weniger über die Zeit danach. Fundierte Information auch über das Wochenbett und den Stillstart ist wichtig und beruhigt. Halbwissen von Verwandten, unsortierte und widersprüchliche Infos aus Internetforen und Broschüren von Babynahrungsherstellern verwirren und verunsichern mehr als dass sie helfen. Gute Ratgeber, wenn es um Informationen zum Stillen und auch zu Büchern oder Kursen zum Thema geht, sind ausgewiesene Fachleute wie z.B. Hebammen und Still- & Laktationsberaterinnen IBCLC. Entweder bieten sie selbst Kurse an oder sie können Tipps geben, welche Kurse oder Bücher empfehlenswert und hilfreich sind. Welche Art der Information am besten ist, lässt sich nicht pauschal sagen. Die eine werdende Mutter fragt der Stillberaterin lieber in einem Kurs persönlich Löcher in den Bauch, die andere stöbert lieber gemütlich für sich durch ein gutes Still- oder Babybuch. Neu zur Auswahl stehen inzwischen auch Onlineangebote wie Onlinekurse, Homepages oder Youtube-Kanäle. Aber auch hier gelten die gleichen Regeln, am besten sollten diese Angebote von einer neutralen und vertrauenswürdigen Quelle wie einer Hebamme oder einer Still- und Laktationsberaterin kommen.
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Ein Netzwerk gibt Rückhalt
Eine Nachsorgehebamme zu haben, ist eine unschätzbare Hilfe gerade in den ersten Tagen Zuhause. Da die Versorgungssituation je nach Region recht angespannt sein kann, sollte man sehr früh anfangen Kontakt aufzunehmen und eine Hebamme zu suchen. Zusätzlich tut es einfach gut, Gleichgesinnte zu haben, mit denen man sich immer wieder treffen und austauschen kann. In einer Still- oder Krabbelgruppe beispielsweise kann man solche Kontakte knüpfen. Zusätzlich hilfreich: Diese Gruppen werden meist von einer Stillberaterin oder erfahrenen Stillmutter geleitet, die offene Fragen beantworten kann. Tipp: Zu einem Stillgruppentreffen kann man ruhig auch bereits in der Schwangerschaft einmal gehen, gerade wenn einem ganz viele Fragen im Kopf herumschwirren.
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Es gibt nicht “den einen richtigen Weg”
Stillen ist bunt! Manchmal gibt es Umwege bis man ans gewünschte Stillziel kommt und jedes Stillpaar hat seinen eigenen Weg dorthin. Jeder Tropfen zählt. Zunächst ist es wichtig, dass einem klar ist, dass sich jedes Stillpaar erst einmal zusammen einspielen muss. Mutter und Baby brauchen ein wenig Zeit, sich gegenseitig kennenzulernen. Und ja, es kann auch die ein oder andere Herausforderung geben. Wichtig hierbei ist, sich rasch kompetente Hilfe zu holen. Viele Stillprobleme lassen sich durch gute Unterstützung von Hebamme oder Stillberaterin von Anfang an vermeiden oder aber bald in den Griff bekommen. Und durchhalten lohnt sich!
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Ein stillunterstützendes Umfeld im Wochenbett hilft beim Start
Für einen guten Stillstart ist es förderlich, wenn die Randbedingungen während und direkt nach der Geburt Mutter und Baby viel Nähe ermöglichen und ein entspanntes stillfreundliches Umfeld bieten. Das macht den Kopf frei. Am besten ist es, wenn beide rund um die Uhr zusammen sein können und frühzeitiges Stillen nach Bedarf möglich ist. Wenn man in einer Klinik entbinden möchte, kann man sich nach den dortigen Regeln auf einer Kreißsaalführung oder einem Informationsabend erkundigen. Bei Krankenhäusern, welche mit der „Babyfreundlich“ Plakette der WHO ausgezeichnet sind, sind die genannten Voraussetzungen automatisch gegeben. Aber auch andere Krankenhäuser bieten 24-Stunden-Roomin-In, Stillen nach Bedarf, gute Beratung durch geschultes Personal etc. an. Nachfragen, vergleichen und informieren lohnt sich. Wenn man ambulant oder Zuhause entbindet, hat man diese Dinge natürlich selbst in der Hand.
Egal wann es nach Hause geht, sollte man es aber auf jeden Fall vermeiden, in diesen innigen ersten Stunden, Tagen und Wochen von zu viel Besuch „überrannt“ zu werden. Es ist zwar schön, wenn sich viele Freunde und Verwandte mit den Eltern freuen und das Baby begrüßen möchten, aber es bedeutet auch immer Stress (vielleicht positiven Stress, aber dennoch Stress) und Ablenkung.
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Autorin: Christina Law-Mclean
Christina ist seit über 22 Jahren in der Stillberatung tätig, sowohl in der Klinik als auch in freier Beratung. Sie bloggt zum Thema Stillen, veröffentlicht regelmäßig Videos mit Stilltipps auf ihrem YouTube-Kanal und konzipiert Onlinekurse zur Stillvorbereitung und Stillproblemen.
www.entspannt-stillen.de