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Ich möchte heute eine Wahrheit aussprechen, die vielleicht einige von euch gar nicht hören wollen. Ich selbst höre sie auch ungern. Und noch dazu ist es eben meine Wahrheit. Nicht unbedingt deine.
Aber trotzdem möchte ich diesen Blogpost schreiben. Weil es mir wichtig ist. Und weil wir uns nicht weiter entwickeln werden, wenn wir in unserer Komfortzone verharren und nur die Themen ansprechen, bei denen wir tosenden Applaus ernten und unseren inneren Ego-Gaul mit Zuckerwürfeln füttern können.
„You cannot force someone to comprehend a message that they are not ready to receive. Still, you must never underestimate the power of planting a seed.“
{Danke, Patricia}
Schon seit einigen Jahren plädiere ich für Entschleunigung und ein achtsames Familienleben {Slow Parenting}. Hauptsächlich deswegen, weil wir uns und unseren Kindern so unfassbar viel Energie und Frieden rauben, wenn wir weiterhin versuchen, mit diesem absurden Tempo in dem sich unsere Welt dreht, Schritt zu halten. Immer wieder zeige ich voller Verständnis und Mitgefühl liebevolle Wege auf, wie wir aus der Terminfalle flüchten und Energiefresser verbannen können.
Aber über einen der größten Energievampire – neben Menschen, die uns nicht gut tun – habe ich bisher zu viel geschwiegen. Die Zeit. Zeit, die wir angeblich nicht haben, aber zunehmend im Internet verbringen.
Und ich frage mich: Was suchen wir eigentlich in dieser Online-Welt? Warum sind wir ständig hier? Und wieso fragen wir uns so selten, was das mit uns und unseren Kindern macht?
Was auch immer wir suchen, ist jedenfalls nicht das, was wir am Ende tatsächlich finden:
Illusion.
Vergleich.
Anonymität.
Beschallung.
Vergänglichkeit.
Optimierungswahn.
Wir sind ständig im Außen. Wir sind Konsumenten. Wir sind ewig Suchende.
Nach Beteiligung. Nach Zugehörigkeit. Nach Inspiration. Nach Ablenkung.
Ich halte nach wie vor nichts von Dogmatismus. Ich rufe hier nicht zur Rückwärtsdigitalisierung auf oder dazu einer Gemeinschaft beizutreten, die Häubchen trägt und Autos oder das Internet für ein Hexenwerk hält. Aber ich möchte, mit ein wenig mehr Nachdruck als sonst, darauf aufmerksam machen, dass diese Entwicklung Konsequenzen hat: Homogenität, Strahlungsbelastung, Entwurzelung & Entfremdung, Selbstzweifel, Stress, Zeitmangel, Konzentrationsprobleme, Überlastung, Reizbarkeit, Klimaveränderung durch Online-Shopping, Fast Fashion und gesteigerten Konsum sind nur einige davon. Denn über die Langzeitfolgen wissen wir durch unsere jungfräuliche Rolle als digitale Vorreiter und Pioniere eigentlich noch gar nichts.
Es ist unstrittig, dass das Internet mit all seinen Möglichkeiten zur Kommunikation, Vernetzung, Informationsverbreitung und Unterhaltung ein wertvolles Medium ist. Aber es erfordert einen bewussten und achtsamen Umgang. Denn es nimmt so viel, wie es gibt. Vor allem deswegen, weil wir es heute nahezu überall und in jeder Lebenslage nutzen können und wollen.
Meine Sorge gilt insbesondere dem Umstand, dass unser Medienverhalten zu einem absoluten „Langeweile = Griff zum Handy“, „Keine Ahnung oder krank = Google“, „Warte mal bitte, Mama spricht/liest gerade …“-Automatismus geworden ist und unglaublich viele Informationen völlig ungefiltert auf unsere Gedanken und Gefühle einprasseln.
Online-Kursangebote sprießen aus dem Boden wie Pusteblumen und vermehren sich auch genau so schnell. Und nicht selten wird uns dort ein Mangel unterstellt, der gar nicht existiert oder eine Sehnsucht geweckt, die uns vorher fremd war. Manchmal werden Versprechungen gemacht, die gar nicht eingehalten werden können oder die absolute Basis {nämlich die tragfähige Beziehung zu einem Coach oder Mentor} bleibt völlig auf der Strecke – und nach einem kurzen Hoch bleibt man allein mit dem Gefühl zurück, dass es wieder nur ein Pflaster für die verletzte Seele war, aber der Stachel noch immer steckt.
Online-Kurse, von erfahrenen und gut ausgebildeten Menschen, die persönlich ansprechbar sind, können eine großartige Ergänzung sein und wertvolle Angebote zu Menschen bringen, die sonst außen vor blieben – aber sie ersetzen keine persönliche Betreuung, keine liebevolle Beziehung, keine Familienaufstellung, keinen Psychologen oder Heilpraktiker, keinen Schwangerschaftskurs und vor allem nicht die eigene Innenschau.
Ich kenne so viele Frauen, bei denen sich die Online-Kongresse und -Kurse wie Bücher im Regal stapeln – und die bei jedem dieser Käufe hofften, Weisheit oder Frieden, Lebensfreude oder Leichtigkeit, Entspannung oder Selbstliebe in irgendeiner Form in ihr Leben zu bringen. Doch nichts von dem, finden wir wirklich im Außen. Und noch viel weniger mal eben nebenbei auf unserem Smartphone oder Tablet.
Das Smartphone. Unser ständiger Begleiter. Und Dopamin-Dealer.
Es hat die Online-Kommunikation um viele Möglichkeiten erweitert, die früher medienfreie Räume waren. Doch den meisten von uns fehlt die nötige Medienkompetenz für einen gesunden Umgang mit dieser Allgegenwärtigkeit, weil wir die erste Generationen sind, die damit leben lernt. Hinzu kommt die absurde Vorstellung, dass wir durch ein Smartphone immer erreichbar und abrufbar sein müssten. Dabei wären Ruhephasen ohne diesen Präsenzdruck via Whats App, Instagram, Facebook, Pinterest & Co. wirklich wichtig zur Erholung, Erdung, Reflektion und Regeneration. Und wir müssen schleunigst lernen, wie wir uns diese Zeit und diesen Raum nehmen, weil wir nicht nur für uns selbst, sondern auch als Vorbilder für unsere Kinder agieren.
Und das ist auch einer der Punkte, wo ich Bauchschmerzen bekomme, wenn einige Menschen sagen, dass Kinder durchweg freien Zugang zu Medien wie Smartphones und Tablets bekommen sollten, um sich selbst regulieren zu können. Ich verstehe den Ansatz und begrüße den Gedanken der Selbstverantwortung und Selbstregulierung als Resilienz Coach grundsätzlich sehr – nur sind Kinder entwicklungsbedingt oft noch gar nicht in der Lage dazu. Wir können nicht so tun, als würde das nichts mit unseren Kindern machen. Ihre Gehirne sind doch noch gar nicht für die Anforderungen und Reize solch digitaler Medien gewappnet. Und wenn wir mal ehrlich sind, müssen wir uns eingestehen, dass selbst viele Erwachsene riesige Probleme haben, sich diesbezüglich zu regulieren.
Warum ist das so?
Weil, wie Psychologen erklären, die Nutzung von Smartphones dem süchtig machenden Prinzip von Glückspielautomaten ähnelt. Man schaltet das Ding mit der Erwartung ein, in irgendeiner Weise belohnt zu werden – mit Likes, mit Entertainment, mit Aufmerksamkeit, mit Neuigkeiten oder mit dem Gefühl von Zugehörigkeit und das verleitet dazu, immer wieder einzuschalten. Pures Dopamin.
Bei einer Studie mit Studenten zählte man durchschnittlich 80 Griffe zum Handy. Täglich. 40 davon dienten zur Nutzung von diversen Apps. Und auch, wenn das bei uns Mamas weniger sein dürfte, ist es oft noch zu viel. Zumindest bei mir.
Deshalb mag es paradox erscheinen, dass dieser Artikel nun ausgerechnet hier – auf einem Online Blog – erscheint. Aber genau hier erreiche ich die Menschen, die ich erreichen möchte. Und genau so, finden wir vielleicht auch einen gesunden Umgang der über einen handyfreien Tag oder handyfreie Mahlzeiten hinaus geht.
Wenn wir öfter über das Display streichen als über die Wangen unserer Kinder,
wenn wir öfter auf Instagram gucken als auf unsere ursprünglichen Bedürfnisse,
wenn wir öfter den Anruf bei unserer Oma vergessen als unser Handy zu Hause,
dann ist es Zeit, etwas zu ändern.
Romy
Wenn du spürst, dass eine unbequeme Wahrheit in dir pocht, hast du zwei Möglichkeiten. Du kannst weiter schweigen. Oder sie aussprechen.
Und schauen was passiert.
“Speak your truth or pay the price.“
{Danke, Deborah}